Lothringer Sprachverwirrung

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Wikipedia: Sarrguemines
Sarreguemines liegt im Nordosten Lothringens, unmittelbar an Grenze zum Saarland.

Wikipedia: Rheinfränkisch
Eine Mundart im Saarland.

Wikipedia: Moselfränkisch
Eine Mundart im Saarland.

Lothringer Sprachverwirrung

Es gibt ja tatsächlich Leute in Deutschland, die glauben, dass die Saarländer Französisch sprechen. Der Saarländer spricht Rheinfränkisch oder Moselfränkisch, aber Französisch nur, wenn er es in der Schule gelernt hat. Anders ist es in Teilen Lothringens; dort sprechen die Alten noch Deutsch. Die Sprachgrenze liegt so ungefähr 30 km (so genau kann man das nicht sagen) hinter der Grenze. Heute ist das alles etwas anders; man pflegt die Mundart nicht mehr, man spricht Französisch. Deutsch spricht man nur, wenn man es in der Schule gelernt hat. Ich habe meine ganz eigene Erfahrung mit dem Lothringer Deutsch gemacht.

Es ist schon lange her, so etwas Anfang der Achtziger Jahre, da war ich Wissenschaflicher Mitarbeiter in der Biophysik der Universität des Saarlandes und brauchte für meine Arbeit Kalbsthymus, was der Feinschmecker unter dem Begriff Kalbsbries kennt. Da ich das Bries ganz frisch brauchte, ging ich zum Schlachthof in Saarbrücken und fragte danach. Kälber werden im Saarland schon lange nicht mehr geschlachtet, sagte man mir, ich könne es ja mal in Saargemünd (Sarreguemines) versuchen. So fuhr ich also nach Saargemünd und suchte dort den Schlachthof. Ich fand ihn natürlich nicht und so fragte ich eine ältere Frau.

"Ich suche den Schlachthof, wie komme ich dorthin?"

"Sie suche den Abbatoir? Ei dann fahre Sie jetzt am zweiten Feu grade us (sie deutete rechts), am nächste Feu ganz grade us, dann nehme Sie die grande Kehre unn da iss der Abbatoir!"

Das kann man nur verstehen, wenn man etwas Französisch kann: Abbatoir ist der Schlachthof - so weit so gut. Feu ist die Ampel, auch das klappt noch. Schwierig wird es mit "grade us" was ja geradeaus bedeutet und "ganz grade us" was ganz geradeaus bedeutet. Jetzt kommt die Französische Grammatik und die Vermischung der Sprachen beziehungsweise Französisch denken und Deutsch reden: die Frau hat mit "grade us" das Französische "à droite" gemeint, was ja rechts heißt; und mit "ganz grade us" hat sie "tout droit" gemeint, was gerade aus bedeutet. "Die grande Kehre" war dann wieder einfach: ich sollte einfach wenden und dann nach ein paar Metern den Schlachthof finden.

Irgendwie habe ich, insbesondere durch die intensive Gebärdensprache unterstützt, auch verstanden, wie diese Wegbeschreibung funktionierte, und ich habe den Schlachthof tatsächlich gefunden.

 

Es gibt noch etliche weitere Sprachvermischungen; man erzählt sich den folgenden Spruch:

Schang, schass die Pulle aus em Jadeng, se mangsche unser ganz Legim.

In korrekten Französchen Worten, aber trotzdem nicht wirklich verständlich: Jean, chasse die Poules aus em Jardin, se mange unser ganz Légumes.

Jetzt die Übersetzung:
Jean = Hans
chasser = jagen
Poule = Huhn
Jardin = Garten
manger = essen
Légumes = Gemüse

Also: Hans, jage die Hühner aus dem Garten, sie fressen unser ganzes Gemüse.

 

Im Saarländischen Sprachgebrauch gibt es nur ein paar Französische Worte, die man immer wieder benutzt. Hier ein Auszug:

Fisematente: Mach jetz kä Fisematente = Mach jetzt keine Schwierigkeiten. Kommt von "visitez ma tente" = "Besuchen Sie mein Zelt". Das haben wohl die Napoleonischen Soldaten den Deutschen Mädchen nachgerufen. Ich denke aber, dass Fisematente nicht nur im Saarland gebräuchlich ist.

Die Flemm: Ich hann die Flemm = Ich bin jetzt depressiv. Kommt von "avoir la flemme" = zu faul sein etwas zu tun.

Lyoner: = saarländische Fleischwurst, abgeleitet von der Stadt Lyon, wo man zum erstenmal die graue Fleischwurst mit Safran gelb färbte.

Das Schäslong = Chaiselongue: So etwas wie ein Sofa.