Der geklaute Meißel

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Wikipedia: Bergamt
Das Bergamt ist eine Behörde, die eine staatliche Aufsicht, nämlich die Bergaufsicht, über alle mit einem Bergbaubetrieb zusammenhängenden Tätigkeiten, Einrichtungen und Anlagen ausübt. Dazu zählen auch die Förderung und Überwachung der Betriebssicherheit und Arbeitssicherheit.

Der geklaute Meißel - eine wahre Geschichte aus dem saarländischen Bergbau

Das Bergamt ist die staatliche Aufsichtsbehörde für die Gruben. So war es an der Tagesordnung, dass Mitarbeiter des Bergamtes die Gruben besuchten, zu entsprechenden Betriebspunten einfuhren und die Zustände dort bewerteten. Die Mitarbeiter der Bergamtes waren gefürchtet; hatten sie doch die Authorität, Betriebspunkte stillzulegen, wenn sie dort Mängel zur Arbeitssicherheit entdeckten.

So hatte sich eines Tages das Bergamt angekündigt; die Inspektoren kamen und man fuhr ein mit dem Betriebsdirektor, einigen Ingenieuren, dem Betriebsführer und dem Obersteiger. An dem Betriebspunkt war man gerade dabei, die verschlissenen Meißel der Schrämmaschine auszutauschen. Die verschlissenen Meißel hatte man achtlos auf den Boden geworfen.

Schrämmaschine

Bergleute im Stoß; rechts sieht man die Schrämmaschine
(mit freundlicher Genehmigung der RAG)

Ein junger Inspektor hob einen solchen weggeworfenen Meißel auf und steckte ihn ein. Der Betriebsdirektor, der sich etwas hinter der Gruppe befand, hatte das bemerkt und dachte sich: "Du Jungfuchs willst uns alte Hasen vorführen? Na warte, die Tour werde ich dir vermasseln!" Als die Gruppe den Betriebspunkt verließ, überlegte er kurz, wann man wohl wieder im Besprechungszimmer sein würde. Er ging zu dem Fahrhauer und sagte zu diesem: "Sie rufen mich um genau 15:20 an!" Der Fahrhauer sagte "Jawohl, Herr Direktor." und ging mißmutig zu seinen Kumpels. "Irgendetwas haben wir falsch gemacht. Ich weiß zwar nicht was, aber ich soll nachher den Alten anrufen."

Inzwischen war die Gruppe wieder auf dem Rückweg, und schließlich war man wieder im Besprechungszimmer, um den vorgefundenen Zustand des Betriebspunktes im Detail zu diskutieren. Pünktlich um 15:20 klingelte das Telefon, der Betriebsdirktor hob ab und sagte "Glück auf". Der Fahrhauer meldete sich und sagte: "Herr Direktor, ich sollte mich bei Ihnen melden." Der Betriebsdirektor sagte so laut, dass jegliches Gespräch im Besprechungsraum verstummte: "Was, ein Meißel wurde geklaut? So eine Sauerei, die sind doch abgezählt!" Der Fahrhauer antwortete: "Herr Direktor, ich verstehe überhaupt nicht, was Sie da sagen." Der Betriebsdirektor fragte: "Und wie lange werden wir stehen?" Der arme Fahrhauer, der nichts verstand, antwortete: "Wir stehen überhaupt nicht! Alles läuft planmäßig!" Der Betriebsdirektor setzte noch einen drauf und sagte: "Zwei Stunden Betriebsausfall, weil irgendso ein Verrückter einen Meißel geklaut hat! Unglaublich! Wenn ich den erwische!" Dann knallte er den Hörer auf und sagte zu der Runde im Besprechungsraum: "Ich muss mich da um eine Angelegenheit kümmern; entschuldigen Sie mich bitte für 5 Minuten."

Schrämmaschine im Betrieb

Die Schrämmaschine im Betrieb
(mit freundlicher Genehmigung der RAG)

Dann ging er in sein Büro und rief den Fahrhauer erneut an. Der Fahrhauer meldete sich und sagte: "Herr Direktor, ich habe nicht verstanden, was Sie da von mir wollen." "Garnichts, mein Knecht" antwortete der Betriebsdirektor, "Ihr habt euren Job sehr gut erledigt, ich spendiere der Gruppe einen Kasten Bier; das Geld dafür könnt ihr euch bei mir abholen. Glück Auf" Der Fahrhauer ging erleichtert zu seiner Gruppe und sagte: "Der Alte ist verrückt geworden. Zuerst faselt er etwas von geklauten Stempeln und 2 Stunden Stillstand, und dann lobt er uns und spendiert sogar einen Kasten Bier! Die haben da droben bestimmt Stress mit dem Bergamt."

Inzwischen war der Betriebsdirektor in den Besprechungsraum zurückgekehrt und tat so, als wenn nichts geschehen wäre. Die Ingenieure sahen ihn fragend an, sagten aber nichts. Man weiß schließlich, wann man den Mund zu halten hat. Der junge Inspektor vom Bergamt war seltsam bleich und es standen ihm Schweißperlen auf der Stirn. Der Meißel in seiner Tasche wurde immer schwerer und machte ihm großes Unbehagen. Seinen Plan, den Meißel zu präsentieren und der Grube vorzuhalten, wie unachtsam man dort mit wertvollen Betriebsmitteln umgeht, ließ er ganz schnell fallen. Er hoffte nur, dass nicht herauskam, wer den Meißel gestohlen hatte.

Als sich die Leute vom Bergamt dann verabschiedeten, meinte der Betriebsdirektor ganz scheinheilig zu dem jungen Inspektor: "Sie sind ja ganz bleich! Ist Ihnen nicht gut?" "Ach nein, es ist bestimmt nichts!" antwortete der junge Inspektor und sah zu, dass er das Grubengelände möglichst schnell verlassen konnte.

Später saßen der Betriebsdirektor mit seinen Leuten noch bei einem Bier zusammen. Da fragte auf einmal der Obersteiger: "Sag mal, Direktor, was war denn das eben mit diesem merkwürdigen Anruf mit einem geklauten Meißel?" Der Betriebsdirektor grinste und sagte: "Der junge Inspektor wollte uns vorführen. Er hat unten einen alten Meißel genommen und wollte uns dann hier vorwerfen, wie unachtsam wir mit dem Material umgehen. Aber die Tour habe ich ihm gründlich vermasselt." Das darauf folgende Gelächter war einfach unbeschreiblich.